Lohnkostenoptimierung
Sept. 22, 2023

Warum mehr Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge zahlen als unbedingt erforderlich?

Der Verdienst eines Arbeitnehmers unterliegt grundsätzlich der Abgabe von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen.

 

Wir zeigen Ihnen nachfolgend Möglichkeiten auf, die vom Gesetzgeber eingeräumt worden sind, unter bestimmten Voraussetzungen Arbeitnehmern Leistungen zu gewähren, die steuerfrei bzw. steuerbegünstigt und beitragsfrei in der Sozialversicherung sind. Mit der Umsetzung der nachfolgend aufgezeigten Vergütungsmöglichkeiten können Sie als Arbeitgeber Ihre Belastungen reduzieren und für Ihre Arbeitnehmer Mehrwerte erzielen. Für jede der Möglichkeiten, die Vergütung transparent und individuell zu gestalten, ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer rechtlich empfehlenswert.

 

Sollte der ein oder andere Optimierungsvorschlag bei Ihnen Fragen aufwerfen, stehen wir Ihnen mit Rat und Tat zur Seite und helfen Ihnen gerne bei evtl. Gestaltungsmöglichkeiten zur Lohnkostenoptimierung.

 

  

WAREN UND DIENSTLEISTUNGEN DRITTER 

Im Rahmen der Sachbezugsregelung kann die monatliche Freigrenze von 50 Euro in Form von Sachleistungen ausgeschöpft werden. Vom Arbeitgeber ausgegebene Gutscheine für Waren und Dienstleistungen bei Dritten sind steuer- und beitragsfrei, sofern die Freigrenze von 50 Euro pro Monat nicht überschritten wird. Entscheidend ist, welche Sache (kein Geldwert) in welchem Zeitraum konkret überlassen wird. Eine Erstattung an Arbeitnehmer durch Vorlage von Kaufbelegen ist nicht möglich! Gutscheine für Waren und Dienstleistungen dürfen nicht in Geldwert ausgezahlt werden.

 

 Tankgutschein

Tankgutscheine gehören zur Gruppe der “Waren und Dienstleistungen Dritter“ und finden deren Anwendung. Um in den Genuss des steuer- und beitragsfreien Tankens zu kommen, darf die 50 Euro-Freigrenze pro Monat nicht überschritten werden. Viele Tankstellen bieten auch eigene Tankkarten mit entsprechendem Wertguthaben an.

 

Aufmerksamkeiten/Geschenke

Zu bestimmten Anlässen kommt auch eine steuerfreie Gewährung kleinerer Sachgeschenke als Aufmerksamkeit in Betracht.

Sogenannte Aufmerksamkeiten sind Sachzuwendungen bis zu einem Wert von 60 Euro (z.B. Blumen, Genussmittel, ein Buch o.ä.), die aus Anlass eines besonderen persönlichen Ereignisses (wie z.B. Geburtstag, Geburt oder Hochzeit, nicht Weihnachten) zugewendet werden.

 

Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte

Über die sogenannte Pendlerpauschale machen viele Arbeitnehmer ihre Belastungen, die durch regelmäßige Fahrten zwischen Wohnung und täglicher Arbeitsstätte anfallen, jährlich gegenüber dem Finanzamt geltend. Vorteilhafter ist hier die Übernahme oder Bezuschussung der Fahrtkosten seitens des Arbeitgebers. Bei der Nutzung des Privatfahrzeugs können dem Arbeitnehmer bis zu 0,30 Euro je Kilometer Entfernung (0,38 Euro ab dem 21. Kilometer) pauschalbesteuert (15 %) und beitragsfrei gewährt werden. Die Berechnung der Arbeitstage je Monat lassen sich bei einer 5 Tage-Woche mit 15 Tagen pauschalieren.

 

Job-Ticket

Bei Job-Tickets handelt es sich um Monats- oder Jahreskarten für den öffentlichen Nah- und Fernverkehr (auch Deutschlandtickets), die der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer unentgeltlich oder entgeltbegünstigt für die regelmäßigen Fahrten zwischen Wohnung und täglicher Arbeitsstätte zur Verfügung stellt.

Bei öffentlichen Verkehrsmitteln besteht die Möglichkeit, die tatsächlichen Kosten für die Fahrscheine zu erstatten. In diesem Fall müssen die Fahrkarten bis zur nächsten Betriebsprüfung in der Personalakte aufbewahrt werden.

 

Datenverarbeitungs- und Telekommunikationsgeräte

Die Nutzung innovativer Technologien bei mobilen und handlichen Geräten breitet sich in vielen Unternehmen stark aus, um die Erreichbarkeit und Tätigkeit des Arbeitnehmers an unterschiedlichen Orten effizienter zu gestalten. Der Arbeitgeber stattet seinen Arbeitnehmer beispielsweise mit einem Laptop, Tablet oder Smartphone aus. Die Vorteile des Arbeitnehmers aus der privaten Nutzung von betrieblichen Datenverarbeitungs- und Telekommunikationsgeräten sowie deren Zubehör, die der Arbeitgeber auch in seinem Betrieb einsetzt und aus den im Zusammenhang mit diesen Zuwendungen erbrachten Dienstleistungen können steuer- und beitragsfrei sein. Sofern es sich jedoch nicht um Überlassung, sondern um Übereignung handelt, ist der Wert pauschal zu besteuern.

 

Handy- und Telefonnutzung

Entstehen dem Arbeitnehmer regelmäßig wiederkehrend Aufwendungen für die Nutzung privater Telekommunikationsmittel für betriebliche Zwecke, können diese Aufwendungen auch in pauschaler Höhe steuer- und beitragsfrei vom Arbeitgeber erstattet werden. Zu den Aufwendungen zählt auch das Nutzungsentgelt einer Telefonanlage sowie für den Grundpreis der Anschlüsse entsprechend dem beruflichen Anteil der Verbindungsentgelte an den gesamten Verbindungsentgelten (Handy/Telefon und Internet). Für den Arbeitgeber ergeben sich zwei Möglichkeiten der Erstattung:

 

  • Erstattung tatsächlich angefallener Aufwendungen laut Einzelkostennachweis mit der Möglichkeit,        nach 3 Monaten einen repräsentativen Durchschnitt für die Zukunft anzusetzen oder

 

  • Vereinfachte Erstattung ohne Einzelkostennachweis bis zu 20 % des Rechnungsbetrags, höchstens jedoch 20 Euro im Monat.

 

Mitarbeiterverpflegung

 Mahlzeiten und damit verbundene Ruhepausen sind für die Gesundheit, Konzentrations- und Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer nicht unwesentliche Kriterien. Kosten für die Verpflegung des Arbeitnehmers, die während seiner Arbeitszeit in der betriebsinternen Kantine oder in einem Restaurant anfallen, können vom Arbeitgeber pauschalbesteuert und beitragsfrei gewährt werden. Der Wert einer Mahlzeit orientiert sich dabei an den aktuell geltenden Sachbezugswerten und kann durch einen zusätzlichen steuer- und beitragsfreien Betrag aufgestockt werden. Weitverbreitet ist bspw. die Ausgabe von Restaurantschecks, die bei einer Vielzahl Akzeptanzpartnern eingelöst werden können.

 

Kinderbetreuungszuschuss

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist heute oft nicht ganz leicht und bedarf sicherer Überlegungen, gerade was die Thematik der Kinderbetreuung betrifft. Wer Kinder hat, muss sich damit frühzeitig auseinandersetzen und mögliche Kosten für die Betreuung berücksichtigen. Tritt der Arbeitgeber ein und gewährt dem Arbeitnehmer einen Zuschuss oder sogar die Erstattung der vollen Kosten zur Betreuung, Unterbringung und Verpflegung seiner nicht schulpflichtigen Kinder in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen, so können diese Leistungen steuer- und beitragsfrei gewährt werden. Die Aufwendungen des Arbeitnehmers müssen mindestens dem Zuschuss oder der Erstattung durch den Arbeitgeber entsprechen und mit Originalrechnung nachgewiesen werden.

 

Betriebliche Gesundheitsförderung

Fehlzeiten eines Mitarbeiters verursachen im Betrieb hohe Kosten. Besonders in kleinen und mittleren Betrieben kann der Ausfall eines Mitarbeiters empfindliche Störungen im Betriebsablauf verursachen. Viele Arbeitnehmer achten bereits aus persönlichen Gründen darauf, durch gesundheitsfördernde Aktivitäten einen Ausgleich zum beruflich anspruchsvollen Alltag zu finden und gesund und fit zu bleiben. Der Arbeitgeber kann anhand gesetzlicher Regelungen mit eigenen Maßnahmen gezielt auf die Aufrechterhaltung und Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands seiner Arbeitnehmer eingehen. Sind im eigenen Betrieb keine gesundheitsfördernden Möglichkeiten gegeben, kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen bis zu 600 Euro steuer- und beitragsfrei pro Jahr für zertifizierte Maßnahmen gewähren.

 

Betriebliche Altersvorsorge

Die gesetzliche Rentenversicherung dient heute nur noch der Grundabsicherung. Neben der gesetzlichen und privaten Rente ist mit der betrieblichen Altersvorsorge eine weitere wichtige Säule zur Finanzierung des Ruhestands geschaffen worden. Seit 2002 ist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegenüber verpflichtet, einen Durchführungsweg der betrieblichen Altersvorsoge anzubieten. Ein lohnenswerter Vorteil ist die Entgelt-umwandlung. Die Beiträge fließen direkt aus dem Bruttoentgelt des Arbeitnehmers in die betriebliche Altersvorsorge. Dadurch sinkt nicht nur das zu versteuernde Einkommen, auch die Beiträge der Sozialversicherung schrumpfen. Pro Kalenderjahr lassen sich so bis zu 4 % der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung steuer- und beitragsfrei in bestimmte Modelle der betrieblichen Altersvorsorge einzahlen.

 

Erholungsbeihilfe 

Plant der Arbeitnehmer eine Erholungsphase und nimmt einen Teil seiner Urlaubstage dafür in Anspruch, so kann ihm der Arbeitgeber eine finanzielle Beihilfe (nicht zu verwechseln mit zusätzlichem Urlaubsgeld), auch für Ehegatten und Kinder gewähren. Die festgelegten Beträge in Höhe von bis zu 156 Euro für den Arbeitnehmer, 104 Euro für dessen Ehegatten und 52 Euro für jedes Kind sind pauschalbesteuert eine optimale Lösung, um „Danke“ zu sagen, einen Ansporn für weitere Leistungen zu geben oder um die Identifikation des Arbeitnehmers mit dem Unternehmen zu stärken. Übernimmt der Arbeitgeber die Pauschalsteuer (in Höhe von 25 %), so erhält eine vierköpfige Familie immerhin 364 Euro zusätzliches „Urlaubsgeld“. Als Voraussetzungen gilt eine zeitnahe, unmittelbar zum Urlaub stehende Zahlung.

 

Fehlgeldentschädigung

Tankstellen, Einzelhandel, Arztpraxis, Gastronomie sind nur ein kleiner Auszug. Es gibt weitaus mehr Branchen, in denen trotz modernster Zahlungsmethoden Bargeldkassen oder Bargeldbörsen im täglichen Einsatz nicht wegzudenken sind. Was passiert jedoch bei Fehlbeträgen und wer übernimmt die Verantwortung? Die Haftung für Fehlbeträge ist arbeitsrechtlich immer wieder Thema. Für die Übertragung von Verantwortung und Haftung gegenüber dem Arbeitnehmer sieht der Gesetzgeber eine pauschale Entschädigungszahlung als Risikoausgleich vor. Arbeitnehmern im Kassen- und Zähldienst kann damit eine Fehlgeldentschädigung (auch Mankogeld genannt) in monatlicher Höhe von 16 Euro steuer- und beitragsfrei gewährt werden.

 

Berufsbekleidung

In bestimmten Branchen und Betriebsbereichen hat der Arbeitnehmer zur Ausübung seiner Tätigkeit, zum Schutz seiner Gesundheit, zur Vereinheitlichung und Verbesserung des Erscheinungsbildes bzw. des Firmenimages eine typische Arbeitskleidung zu tragen. Die Überlassung von Berufskleidung an den Arbeitnehmer oder die eigene Anschaffung sowie deren Reinigung und Reparatur sind steuer- und beitragsfrei. Zur typischen Berufskleidung gehören Kleidungsstücke, die als Arbeitsschutzkleidung auf die jeweils ausgeübte Berufstätigkeit zugeschnitten sind, Kleidungsstücke, die uniformartig beschaffen sind oder durch ein dauerhaft angebrachtes Firmenemblem gekennzeichnet sind. Eine private Nutzung muss so gut wie ausgeschlossen sein.

 

Inflationsprämie

Mit der Inflationsprämie können Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern bis zum 31.12.2024 eine freiwillige Sondervergütung bis zur Höhe von 3.000 Euro steuer- und beitragsfrei auszahlen, um eine Abfederung der Belastung insbesondere durch die gestiegenen Energiepreise zu erreichen. Gezahlt werden kann auch in mehreren Teilbeträgen. Die Inflationsprämie muss zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden.

von ETL 17 Jan., 2024
08 Nov., 2023
Besteuerung einer aufgeschobenen Altersrente
08 Nov., 2023
Möchten Sie negative Kapitaleinkünfte mit positiven Kapitaleinkünften verrechnen, die bei einem anderen Geldinstitut angefallen sind, geht das nur über die Einkommensteuererklärung. Dafür brauchen Sie eine sogenannte Verlustbescheinigung Ihrer Bank, die Sie bis spätestens 15. Dezember des Jahres bei der Bank beantragen müssen. Nur wenn der Antrag rechtzeitig bei der Bank vorliegt, erstellt diese neben einer Steuerbescheinigung auch eine separate Verlustbescheinigung über die angefallenen Verluste. Um die Verrechnung von Gewinnen und Verlusten von Anlagen bei verschiedenen Banken zu erreichen, füllen Sie die Zeilen 12 und 13 der Anlage KAP aus. Gleichzeitig setzt die Bank den Verlustverrechnungstopf auf null zurück, damit es nicht zu einer doppelten Verlustberücksichtigung kommen kann. Ein Verlustvortrag in die Zukunft entfällt. Kapitalanlage: Verlustverrechnung bei Ehepaaren Eine Verlustbescheinigung müssen auch Ehepaare beantragen, die bei verschiedenen Banken Kapitalanlagen haben und daraus sowohl Gewinne als auch Verluste erzielen. Auch in diesen Fällen führt das Finanzamt nur dann eine Verlustverrechnung durch, wenn eine Verlustbescheinigung vorliegt. Ehegatten, die bei derselben Bank Gewinne und Verluste erzielt haben, müssen nicht unbedingt eine Verlustbescheinigung beantragen. Es reicht aus, wenn Sie bis spätestens 31.12.2023 einen gemeinsamen Freistellungsauftrag erteilten – selbst wenn er nur über null Euro ist. Hinweis: Aktienverluste nur mit Aktiengewinnen verrechenbar: verfassungswidrig? Verluste aus dem Verkauf von Aktien können nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien verrechnet werden – und nicht mit den Gewinnen aus anderem Kapitalvermögen. Das hält der Bundesfinanzhof (BFH) für verfassungswidrig. Jetzt muss das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entscheiden. Ein auch für Kleinaktionäre wichtiges Thema!
Aerzte Gewerbesteuer
10 Mai, 2022
Wenn die Gewerbesteuerfalle zuschnappt
16 März, 2022
Sparer freuen sich schon, wenn sie für ihre Kapitaleinlagen keine Negativzinsen zahlen müssen. Ein Zinssatz von 6 % pro Jahr – seit Jahren ein unerfüllbarer Traum, mit einer Ausnahme. Der steuerliche Zinssatz betrug immer noch 0,5 % pro Monat und wurde trotz vielfältiger Klagen immer wieder als (noch) verfassungskonform angesehen. Doch damit ist jetzt Schluss. Denn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erklärte die hohen Steuerzinsen von 6 % (12 x 0,5 %) pro Jahr für verfassungswidrig und das rückwirkend ab 2014. Die Freude all derer, die in den vergangenen Jahren hohe Nachzahlungszinsen zahlen mussten, wird allerdings von den Verfassungsrichtern gedämpft. Für Zinszeiträume vor dem 1. Januar 2019 müssen die Finanzämter nichts korrigieren, trotz der Verfassungswidrigkeit. Verzinst werden dabei nicht nur Steuerzahlungen, sondern auch Steuererstattungen. Der Zinslauf beginnt regulär 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, für das die Steuer festgesetzt wird.  Das heißt: Für die Einkommensteuererklärung 2012 wurden ab dem 1. April 2014 monatlich 0,5 % Zinsen auf den Steuernachforderungsbetrag fällig. Diese sind zwar nach dem aktuellen Urteil des BVerfG verfassungswidrig, sie werden aber nicht erstattet. Anders sieht es aus, wenn es im Ergebnis einer aktuellen Betriebsprüfung zu einer Steuernachzahlung kommt, die zu verzinsen ist. Beispiel: Im Rahmen einer Außenprüfung für das Jahr 2016 kommt es zu einer Nachzahlung von 50.000 €. Der geänderte Bescheid wurde am 1. Juli 2021 bekannt gegeben, der ursprüngliche Bescheid am 20. Dezember 2017. Zinsfestsetzung nach bisherigem Recht: Der Zinslauf begann am 1. April 2018 und endete am 1. Juli 2021. Das entspricht 39 vollen Zinsmonaten: 9 Zinsmonate in 2018 12 Zinsmonate in 2019 12 Zinsmonate in 2020 6 Zinsmonate in 2021 Nach bisherigem Recht ist die Steuernachzahlung mit 19,5 % (39 Monate x 0,5 %) zu verzinsen, d. h. er werden 9.750 € Zinsen festgesetzt, die zusätzlich zu den 50.000 € Steuernachzahlung anfallen. Zinsfestsetzung nach dem Beschluss des BVerfG: Die gesamte Zinsfestsetzung ist verfassungswidrig. Allerdings entfallen die ersten 9 vollen Monate auf Verzinsungszeiträume vor dem 1. Januar 2019. Diese Zinsen dürfen vom Finanzamt weiterhin festgesetzt werden. Die Steuernachzahlung kann insoweit uneingeschränkt mit 4,5 % (9 Monate x 0,5 %) verzinst werden. Es dürfen also 2.250 € Zinsen festgesetzt werden, die auch zu zahlen sind. Nach aktueller Rechtslage kann das Finanzamt jedoch auch die Zinsen für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 mit 0,5 % pro Monat festsetzen. Die Steuernachzahlung wird dann zusätzlich mit 15 % (30 Monate x 0,5 %) verzinst, dies bedeutet eine weitere Zinsfestsetzung in Höhe von 7.500 €. Allerdings muss diese Zinsfestsetzung für die Zinsmonate ab dem 1. Januar 2019 noch einmal korrigiert werden, sobald der Gesetzgeber eine verfassungskonforme Regelung getroffen hat. Rückwirkende Korrektur für nicht bestandskräftige Bescheide Das BVerfG hat den Gesetzgeber aufgefordert, bis Ende Juli 2022 eine verfassungskonforme Neuregelung auf den Weg zu bringen, die dann auch rückwirkend für alle noch nicht bestandskräftigen Bescheide über Verzinsungszeiträume ab 1. Januar 2019 gelten soll. Wie hoch der Zinssatz dann sein wird, kann aktuell nur spekuliert werden. Hessen hatte bereits 2018 einen Gesetzesantrag gestellt, der darauf abzielte, den Steuerzins auf 3 % zu halbieren. Ob der Gesetzgeber sich daran orientiert, bleibt abzuwarten. Unternehmer, aber auch nichtunternehmerisch tätige Steuerpflichtige können von der Entscheidung des BVerfG profitieren, wenn sie gegen Zinsbescheide über Verzinsungszeiträume ab 1. Januar 2019 entweder Einspruch eingelegt haben oder der Steuerbescheid hinsichtlich der Verzinsung vorläufig ergangen ist. Tipp: Da der Gesetzgeber für eine Neuregelung der Zinsen vermutlich einige Zeit brauchen wird, werden Zinsbescheide voraussichtlich weiterhin die – nunmehr verfassungswidrige – Verzinsung enthalten. Daher sollten Sie bei allen Bescheiden über Nachzahlungszinsen, die ab dem 1. Januar 2019 festgesetzt werden, auf den Vorläufigkeitsvermerk achten. Fehlt dieser, muss zwingend Einspruch eingelegt werden, um den Bescheid offen zu halten. Das gilt insbesondere für Zinsbescheide zur Gewerbesteuer, da diese in der Regel keinen Vorläufigkeitsvermerk enthalten. Wird der Bescheid bestandskräftig, werden auch die verfassungswidrig festgesetzten Zinsen bestandskräftig. Eine rückwirkende Korrektur ist dann trotz des Urteils des BVerfG nicht mehr möglich. Anders sieht es bei Bescheiden über Erstattungszinsen aus. Wenn diese einen Vorläufigkeitsvermerk enthalten, sollten Sie sich darauf einstellen, dass ein Teil der Erstattungszinsen an das Finanzamt zurückgezahlt werden muss. Fehlt der Vorläufigkeitsvermerk, sollte nichts getan werden, denn wenn solche Zinsbescheide bestandskräftig werden, kann das Finanzamt die Erstattungszinsen nicht mehr zurückfordern.
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